Einordnung:
Wir alle werden einmal zu dem Punkt kommen, dass wir nicht mehr sind.
Der Umgang mit dem Thema Tod ist im zwischenmenschlichen Diskurs nicht immer einfach. Jede*r von uns wird im Laufe seines Lebens auf verschiedene Weisen mit dem Thema konfrontiert. Oft passiert dies zuerst, wenn eine Person verstirbt, die uns persönlich nahesteht. Der Prozess einen Nachlass zu erfassen und zu organisieren, stellt Nachfahren oft vor große Herausforderungen.
Gestalter produzieren im Laufe ihrer Lebenszeit mitunter eine große Anzahl an Arbeiten. Dementsprechend stellt sich hier für Nachfahren die Frage, wie mit dem jeweiligen künstlerischen Oeuvre umzugehen ist, wenn der/die jeweilige Gestalter*in verstirbt?
Wird die Bedeutung von den aufgefundenen Arbeiten erkannt und sie an eine Sammlung oder ein Museum weitergeleitet, oder wird der Umgang mit den Arbeiten von den Nachfahren vertagt und sie geraten langsam in Vergessenheit. In einem stillen Kämmerlein darauf wartend von einer kommenden Generation wieder entdeckt zu werden.
Unter den genannten Gesichtspunkten beschäftige ich mich in dieser Arbeit mit der theoretischen Aufbereitung von einem Teil des eigenen Nachlasses ca. 100 Jahre in der Zukunft.
Einige Fragen sind aus dieser Perspektive schwer zu erörtern. Wird man unbekannt und verarmt, à la Van Gogh, oder wie Warhol, mit großem Bekanntheitsgrad versterben? Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
Zu dem Zeitpunkt, an dem ich diesen Text verfasse, bin ich 24 Jahre alt. Nach dem Durchschnitt des aktuellen Sterbezeitpunkts deutscher Männer in den Jahren 2020/21 kann ich wahrscheinlich mit einer Lebenserwartung von ca. 78,5 Jahren rechnen, was mir noch 54,5 weitere Lebensjahre verschaffen würde. Nach dieser Rechnung bin ich zum Zeitpunkt der Erfassung des theoretischen Nachlasses bereits ca. 45 Jahre tot.
Wie sich die Welt bis zu diesem Zeitpunkt verändern wird, ist aus unserer heutigen Perspektive schwer zu sagen. Als eine Generation, die in einer Zeit multipler Krisen lebt, darunter zwei Rezessionen und die allgegenwärtige Bedrohung durch den Klimawandel, scheint nur wenig gewiss.
Welchen Wert wird Gestaltung in der Zukunft einnehmen? Wie werden die Menschen dort gestalten? Viel wichtiger aber für den Kontext dieser Arbeit, wie werden die Menschen, 100 Jahre in der Zukunft, überhaupt auf unsere heutige Gestaltung zurückblicken?
Ich lade Sie ein miteinzutauchen, fantasieren, zu schmunzeln und mit mir einen Teil meines eigenen, theoretischen, Nachlasses zu erforschen. Die freien Zeilen im Heft können für die eigenen Forschungsnotizen, lose Gedanken und alles weitere was beim Mitspinnen dieses Gedankenkonstrukts in den Sinn kommt, benutzt werden.

Prolog:
Die vorliegende Publikation befasst sich mit der Erfassung, Katalogisierung und Einordnung der neun entdeckten Objekte.
Diese Arbeit soll dazu als Field–Manual dienen, wie man möglich neue Objekte der Freytag'schen Kategorie (eine genaue Spezifizierung und Erfassung weiterer Arbeiten steht für die Zukunft noch aus) im Moment einer möglichen Entdeckung korrekt erkennt, erfasst und für die folgenden Schritte sichert.
Die Objekte wurden im Januar letzten Jahres beim Aufräumen des museumseigenen Archiv in einem Umzugskarton(?) gefunden. Die Objekte scheinen in der Vergangenheit bereits chronologisch geordnet worden zu sein. Um etwaige vorherige archivistische Bemühungen nicht zu verfälschen, wurde die Anordnung der Textilien für die Wiedergabe in dieser Publikation* nicht verändert und wird wie vorgefunden wiedergegeben.
Die aufgefundenen Arbeiten befanden sich in einem Umzugskarton, der mit den Worten "FREYTAG" und "2023?" händisch beschriftet war. Ob es sich um einen einzelnen Künstler, ein Kollektiv oder den Titel einer Serie handelt ist unbekannt. Infolgedessen werden die Arbeiten unter dem Synonym "FREYTAG" erfasst und hier präsentiert. Die Erfassung der aufgefundenen Textilien erfolgte nach strengen Richtlinien, die alle Mitarbeitenden an ähnlichen Field-Manuals des Museums ebenfalls bis ins kleinste Detail befolgen müssen.
Die Fotografie und Aufbereitung der Arbeiten erfolgten durch Praktikanten des Museums unter Aufsicht ihrer Vorgesetzten. Die erfassten Arbeiten sollen in einer zukünftigen Ausstellung zusammen mit weiteren "vergessenen" Arbeiten des Archivs gezeigt werden.
– Dokumentations- & Archivteam, FREYTAG, 2123©
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